„Wenn die Demokratie nicht verteidigt wird, stirbt sie“, brachte Prof. Dr. Wolfgang Reinbold es kurz und knapp auf den Punkt. Der Professor für Neues Testament und Beauftragter der evangelischen Landeskirche Hannovers für interreligiöse und interkulturelle Zusammenarbeit war auf Einladung von Pastorin Lißner am 18. Juni nach Rotenburg gekommen. Anlass war der 75. Geburtstag des deutschen Grundgesetzes. Fundiert und verständlich zeigte Prof. Reinbold die Möglichkeiten des einzelnen durch die Rechte des GG auf und machte deutlich, wo und wie es heute gefährdet ist. In Kleingruppen tauschten sich die Schüler*innen der BFSU- und FSPU-Klassen zusammen mit ihren Lehrkräften aus: Was hat Sport mit Demokratie zu tun? Sollte man eine WM an Katar vergeben? Wie reagierst du, wenn du siehst, dass jemandem die Kippa vom Kopf gerissen wird? Wie kann man damit umgehen, wenn Grundrechte in Kollision geraten – sollte z.B. die Beschneidung von kleinen Jungs erlaubt sein?
Es wurde deutlich: Wir brauchen genauso wie in der Familie auch im politischen und gesellschaftlichen Bereich viel Austausch, einander zuhören, um einen tragfähigen Konsens für alle zu finden. Rechts- und linksextreme Positionen dagegen teilen unterschiedliche Meinungen in Schwarz und Weiß ein. So spalten sie durch Hass und Verachtung den Kitt unserer Gesellschaft, zerstören von innen das „Haus“, in dem wir wohnen: unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Dieses Haus aber bauen wir gemeinsam. Das kann der Staat allein nicht leisten, denn: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“ (Böckenförde). Das heißt: Der Staat kann von sich aus die Probleme unserer Zeit nicht lösen, keine Regierung kann das tun; sonst würde er zur Diktatur werden. Auf den einzelnen Bürger und die einzelne Bürgerin kommt es an, die sich für unsere Gesellschaft und die Lösung von Problemen einsetzen; auch auf gesellschaftliche Institutionen und Religionsgemeinschaften, die sich für die Demokratie einsetzen. „Die Kraft muss von innen kommen“, betonte Prof. Reinbold abschließend; nur so kann unsere Demokratie weiterbestehen, vielleicht ja nochmals 75 Jahre.